Unverhofft kommt bei mir oft
"Was für ein Zufall", sagen wir, wenn ein alter Bekannter auf der Straße vor uns steht. Gerade am Morgen hat man noch gedacht, "was macht eigentlich XY so, ich habe lange nichts von ihm gehört."
Zufälle sind Dinge, die unverhofft
passieren, ohne dass man in irgendeiner Weise damit gerechnet hat.
Gemeinhin hat man einen Anhaltspunkt für eine Analyse des Kommenden -
sei es, dass es einen festen Termin für ein Treffen gibt oder sonst
etwas, das geplant ist. Das, was man gemeinhin unter dem Wort "Zufall"
versteht, ist etwas, das in den Gedanken so nicht aufgetaucht ist.
Obwohl man an XY dachte, hat man nicht erwartet, ihn tatsächlich vor
sich zu sehen.
Eine andere Variante ist es, wenn man
ausgehen will und bemerkt, dass man die Autoschlüssel oder Geldbörse
vergessen hat. Das war nicht beabsichtigt, aber als man die Wohnung
wieder betritt, klingelt gerade das Telefon und ein ungemein wichtiger
Anruf kann doch noch entgegengenommen werden. Möglicherweise will man
nach dem Portemonnaie greifen und bemerkt dabei den leicht brenzligen
Geruch des nicht ausgeschalteten Bügeleisens. Ein glücklicher Zufall?
Solche Geschichten kennt jeder, sie
werden gerne erzählt und weitergegeben, als Beispiel für Glücksfälle und
unerwartet gute Wendungen. "Hätte ich nur zehn Minuten früher das Haus
verlassen, wäre dies oder jenes nicht passiert...", heißt es dann. Es
gibt wohl Zufälle, die tatsächlich lebensrettend sind. So ist das liegen
gebliebene Auto dafür verantwortlich, dass man zu spät zum Flughafen
kommt und die Maschine verpasst. Genau die, welche dann mit einem
Triebwerksschaden irgendwo notlanden musste, weitab vom Zielflughafen.
Aber was ist mit dem Handlungsreisenden, der
uns einen Jahresvorrat lebensverlängerndem Kräuterwein auf schwatzen
will? Zu horrenden Preisen, versteht sich. Ohne den "blinden" Zufall
hätte er uns nämlich verpasst. Wenn es keine Zufälle in dem Sinne gäbe,
dass dieser Mensch uns treffen sollte, wozu um alles in
der Welt kann das gut sein? Dafür, dass der Zufall ihm die Chance für
das Geschäft seines Lebens gegeben hat? Die Frage, für wen der Zufall
nun eigentlich arbeitet, erübrigt sich allerdings. Wer heute gerade
"dran" ist mit ein wenig Glück und der einen oder anderen kleinen
günstigen Gelegenheit, das bestimmt wahrscheinlich der "kosmische
Zufallsgenerator".
Betrachten wir also die für uns
günstigen Wendungen als Geschenk, die negativen vielleicht als
Trainingsstunde. Vielleicht hat der Verkäufer des Elixiers ja die
Aufgabe, uns in Standhaftigkeit und Selbstbehauptung zu schulen... auch
wenn er es nicht weiß. Was die Schwiegermutter betrifft, so war
vielleicht eine Nachholstunde in Sozialkunde überfällig. Sich über
solche Dinge den Kopf zu zerbrechen, ist letztendlich völlig unnötig -
außer, wenn man zufällig nichts anderes zu tun hat.
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