Die meisten
Heiratswilligen wollen eine Riesenhochzeit mit allem Pomp - auch wenn es das
eigene Budget glatt sprengt. Wer Student ist oder Berufsanfänger, braucht
Sponsoren. Aber Vorsicht: Die liebe Familie wird dann bei der Festgestaltung
mitmischen, kräftig und ungefragt.
Ein
elfenbeinfarbenes Kuvert lag vor einigen Monaten in meinem Briefkasten. Die
darin enthaltene, auf handgeschöpftem Büttenpapier gedruckte Einladungskarte
verkündete die Hochzeit meiner Freundin Maja. Und den Dresscode "Black
Tie" (womit, wie der routinierte Festgesellschaftler natürlich weiß, nicht
etwa zu schwarzer Krawatte, sondern zu Smoking und bodenlangem Abendkleid
aufgefordert wird).
Ich wunderte
mich. Maja, das muss man wissen, ist Studentin, und die Zahl ihrer Semester
entspricht grob ihrem Alter. Maja, das muss man auch wissen, hat die
Angewohnheit, wehrlosen Mangos und Avocados im Supermarkt schwere
Quetschverletzungen zuzufügen, um sie an der Kasse billiger zu bekommen. Zudem
pflegt sie zu Essenseinladungen stets ein Set Tupperdosen mitzuführen, um sich
für den nächsten Tag etwas einpacken zu lassen ("Das kriegt ihr eh
unmöglich allein weg"). Ihr winziges Studentenbudget und handgeschöpftes
Büttenpapier vertrugen sich in etwa so gut wie Majas Batik-Fransentuch und
"Black Tie".
Die Sache
war klar: Maja war auf die dunkle Seite der Macht geraten - und hatte sich in
Abhängigkeit von Eltern oder Schwiegereltern begeben. Denn wer als Student
heiratet, hat genau zwei Alternativen:
- Er entscheidet sich für die studentische Variante, bittet jeden Gast, statt Geschenken Buletten und Nudelsalat mitzubringen und stellt Klappstühle im Garten der Eltern auf. Die Braut kokettiert ein bisschen damit, dass sie ihr Brautkleid bei Clockhouse, der jungen Marke von C&A, gekauft hat, und hofft, dass das um mehrere Ecken gedacht irgendwie lässig-subversiv rüberkommen möge.
- Sponsoren finden - die meisten heiratswilligen Studenten, darf man annehmen, entscheiden sich für Fundraising. Denn die Rückkehr eines bürgerlichen Habitus, die Sehnsucht nach traditionellen Werten und Beständigkeit, so künden immer neue Studien, machen vor der heutigen Studentengeneration nicht halt. Auch Studenten und Geringverdiener haben keine Lust auf Nudelsalat-Hochzeiten, sie wollen traditionelle Sissi-Sahnebonbon-Hochzeiten.
Es ist
höchst interessant, welche Ansichten zum Thema Hochzeitsgestaltung auch solche
Leute vertreten, die sonst für sich beanspruchen, Hot Chip und Vampire Weekend
schon gehört zu haben, bevor das jeder Trottel tat - und die den Abschluss
einer Haftpflichtversicherung als Schritt in die Vorhölle eines überangepassten
Sicherheitsdenkens geißeln.
Es beginnt
die Zeit der Revierkämpfe
An diesem
einen Tag plötzlich wollen sie das ganze pompös-kitschige Hochzeitsprogramm:
Kutsche, Oldtimer, Blumen-Bouquet, Sechs-Gänge-Menü, Damast-Tischdecken,
Kristallgläser. Ein paar Wochen lang gucken sie dienstags nicht mehr Champions
League, weil da Walzertanzkurs ist. Das alles kostet. Wer also auf der
Bürgerlichkeitswelle mitschwimmen will, ist auf gutes Sponsoring angewiesen.
Natürlich
gibt es jene Eltern, die in den sechziger Jahren chronisch bekifft waren, heute
mit verklärtem Blick ihre Janis-Joplin-Platten rauf und runter hören und
überhaupt nicht einsehen, warum sie ihrem Kind die Leihgebühr für 120
Damast-Stuhlhussen spendieren sollen. Sie selbst wurden nämlich
blumenkettenbehängt an einem Strand in Goa von einem freiberuflichen
Brahmanen-Priester getraut.
In Deckung!
Die Freakshow der schlimmsten Hochzeitsgäste
Die bucklige
Verwandtschaft und andere heikle Fälle: Einem Vertreter dieser fünf Prototypen
werdet ihr auf jeder Hochzeit über den Weg laufen - und solltet
schnellstmöglich in Deckung gehen.
Der
frustrierte Single: Unglück im Glück
Der lüsterne
Großonkel: "Jutet Chassis, jute Details"
Die
penetrante Trauzeugin: E-Mail-Terror
Die
profilneurotische Bräutigamsmutter: "Zacki, zacki!"
Der
subversive Hochzeitshasser: Alles Spießer außer Mutti
Die meisten
Eltern aber buttern gern großzügig rein, im glücklichen Überschwang, das Kind
endlich unter die Haube zu kriegen. Sind Eltern oder Schwiegereltern mit im
Boot, beginnt die Zeit der Territorialkämpfe. Die Sponsoren wollen nämlich
leider nicht einsehen, dass man für sie ausschließlich die Rolle des Mäzens,
des stillen Gönners gewissermaßen, vorsieht - man ist jung und braucht das
Geld. Keine Meinung. "Wir mischen uns gar nicht ein, es ist ja EUER
Fest", werden die Sponsoren beteuern. Und dann werden sie sofort beginnen,
subtil zu manipulieren.
Sie werden
ungefragt Leute einladen, vor denen man sich bereits als Kind gegruselt hat
("Ich hab gestern mit Tante Marlies telefoniert und ihr gesagt, dass ihr
morgen die Einladung rausschickt"). Sie werden versuchen, Menschen auf die
Gästeliste zu putschen, deren Facebook-Freundschaftsanfrage man seit einem
halben Jahr aussitzt ("Mit dem Tobi hast du doch in der Krabbelgruppe
immer so schön gespielt") - natürlich ohne blassen Schimmer, dass man noch
heute traumatisiert ist von Tobis Doktorspielchen, die einem für einen Vierjährigen
recht, nun ja, fortschrittlich vorkamen.
Wer braucht
schon Showbands mit Namen wie "Twix and the Riders"?
Egal wessen
Budget man verpulvert, ein paar Programmpunkte braucht kein Mensch: den
"Hochzeitstauben-Service" etwa, bei dem eine Handvoll weißer Tauben
vor der Kirche aus einem Käfig flattert (und der Braut verschreckt aufs Kleid
kackt). Oder eine Hochzeitskutsche, der alle motorisierten Gäste im
Schritttempo hinterherfahren müssen, auch wenn zwischen Kirche und Landgasthof
25 Kilometer liegen. Ebenso entbehrlich sind Showbands mit Namen wie "Twix
and the Riders". Und der wichtigste Ansatzpunkt fürs Geldsparen ist
natürlich die Alkohol-Flatrate.
Man merkt
den gesponserten Hochzeiten immer ein bisschen an, dass sie gewaltsam in einen
Rahmen gezwängt wurden, der allen gerecht werden soll. Und das ist, jetzt
endlich die gute Nachricht, überhaupt nicht schlimm - im Gegenteil.
Ich finde es
herrlich, auf solchen Festen Gast zu sein. Hochzeiten sind ohnehin eine
sozialpsychologische Spielwiese, eine explosive Mischung aus zu hohen
Erwartungen, Unterhaltungsdruck und arg strapazierten Nervenkostümen. Jede
Menge sozialen Sprengstoff birgt die Tatsache, dass Menschen einen Tag lang an
leinengedeckten Tischen zusammengepfercht werden, die im richtigen Leben wegen
ihrer äußerst konträren Lebensläufe und unterschiedlicher Milieus kaum je
aufeinander treffen würden.
Die
pseudoelitäre Verwandtschaft, durchweg gewandet in Frack und Abendrobe, bildet
einen schönen Kontrast zum Schluffi-Kiffer-Kommilitonen, der gewaltsam von der
Bühne gezogen werden muss, weil er spontan beschlossen hat, die Extended
Version von "Riders on the Storm" unplugged zum Besten zu geben.
Je später
der Abend, desto enthemmter die Gäste
Auch bei
Majas Hochzeit stellte sich meine Vorfreude als vollkommen berechtigt heraus:
Für einen winzigen Eklat in der katholischen Barockkirche sorgte zunächst Majas
Kommilitonin Sarah, die eine Fürbitte vortrug. Dass ihre fohlenartigen Beine
vor Nervosität zitterten, fiel deshalb besonders auf, weil die Fohlenbeine nur
am obersten Ende notdürftig von einem fuchsiafarbenen, gürtelbreiten
Stretch-Etwas bedeckt wurden, welches Rock zu nennen maßlos übertrieben wäre.
Später am
Abend grölten lediglich die Kommilitonen und einige wenige besoffene Onkel vor
Wonne, als im Diavortrag eines Studienfreundes eine Serie von Bildern
auftauchte, die den Bräutigam - von einem Stirnband abgesehen - nackt und an
ein Holzkreuz gefesselt zeigten. Für die Verwandtschaft glich später der
Patenonkel des Bräutigams aus, der in seiner Rede ausführlich aus dem Tagebuch
seines damals dreizehnjährigen Patenkinds zitierte. Großes Kino.
Spät auf
solchen Festen bestellen die eigenen Kumpels mit Onkel Manfred vom Restetisch
die achte Williamsbirne und hören sich Geschichten von der Kriegsgefangenschaft
in Sibirien an. Es stört keinen mehr, dass die Juristen-Kusine, die zurzeit
einen Flamenco-Kurs besucht, den verzweifelten DJ zum wiederholten Male zum
Auflegen von "Baila Me" von den Gipsy Kings nötigt. Und dann endlich
sollte sich das Brautpaar über die Eigenmächtigkeiten der Sponsoren freuen:
Ohne sie wäre das womöglich eine dieser langweiligen Partys geworden, bei denen
sich alle einig sind - und bei denen den ganzen Abend lang Hot Chip läuft.
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