Die Schwiegermutter als intrigante Glucke, die aus Eifersucht die Ehe
ihres Sohns zerstört – dieses Klischee findet man in fast allen Zeiten
und Kulturen. Einen Akt von geradezu fabrikmässigem Kannibalismus
erzählt ein Märchen aus Kamerun: Sieben Mal zerhackt die böse
Schwiegermutter die Frau ihres offenbar aussergewöhnlich gleichmütigen
Sohnes und frisst sie auf. In einer milderen Variante aus Europa begnügt
sich die Schwiegermutter mit einer Verzauberung: Sie verwandelt die
Schwiegertochter in ein gebärunfähiges Wesen, das seine Zwillinge acht
Jahre lang mit sich herumträgt, ehe man sie ihm aus dem Leib schneidet.
Nun haben neuere wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass das Bild von der nachwuchshemmenden Schwiegermutter gar nicht so falsch ist. In der Januar-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichten zwei deutsche Biologen von ihrer Analyse einer ostfriesischen Bauerngesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Eigentlich wollten die Autoren mit ihrer Arbeit zur Klärung des Grossmutter-Paradoxons beitragen. Denn auf den ersten Blick sind Grossmütter wandelnde Widersprüche zur Evolutionstheorie: Während sich Männer wenigstens theoretisch bis ins Greisenalter der Fortpflanzung widmen können, bringen Frauen die Jahrzehnte nach der Menopause völlig reproduktionslos zu. Eine mögliche Lösung des Rätsels besteht in der Vermutung, dass Grossmütter die Überlebenswahrscheinlichkeit ihrer Enkel massgeblich steigern und so in asexueller Manier zur Verbreitung ihrer Gene beitragen.
Den positiven Einfluss auf die Enkel haben die deutschen Forscher nun tatsächlich gefunden – allerdings bloss bei der Grossmutter mütterlicherseits. Bei der Grossmutter väterlicherseits hingegen war der Effekt gerade umgekehrt: Wohnte die Schwiegermutter im selben Dorf, schnellte die Sterbewahrscheinlichkeit für das Kind im ersten Lebensmonat auf den zweieinhalbfachen Wert. Hauste der «Drachen» im Nachbarort, so starben die Enkel immer noch anderthalb Mal häufiger als ganz ohne Grossmutter väterlicherseits. Die Ursache für die tödliche Wirkung könnte laut den Biologen die berüchtigte «Schwiegermutter-Schwiegertochter-Dissonanz» sein: «Möglicherweise beeinträchtigten die Missstimmungen schon die Schwangerschaft oder den Geburtsverlauf, sodass die werdenden Mütter unter der hohen psychischen Belastung überdurchschnittlich oft weniger lebensfähige Kinder zur Welt brachten.»
Warum das Verhältnis zwischen Tochter und Mutter im Allgemeinen viel besser ist als das zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter, kann die Evolutionstheorie durchaus erklären. Man geht dabei von der Annahme aus, dass Eltern ihren Kindern zu möglichst viel überlebensfähigem Nachwuchs verhelfen wollen. Weil nun Frauen nicht beliebig viele Kinder haben können, setzen sie die gute Betreuung ins Zentrum ihres Wirkens. Bei dieser «Fürsorgestrategie» ist die Hilfe vom Grosi nützlich und willkommen. Zur erfolgreichen Fortpflanzung ihrer Söhne hingegen, die wie alle Männer eher eine «Strategie der opportunistischen Kopulation» verfolgen, können Eltern kaum etwas beitragen. Das ist der erste Punkt, der die engen Bande zwischen Mutter und Tochter erklärt.
Der zweite Punkt ist das alte «pater semper incertus» – neu ausgedrückt: «Mother’s baby, father’s maybe». Frei übersetzt: «Das Kind von der Mutter, vom Vater das Futter». Eine Frau wird kaum je daran zweifeln, dass das Bébé auf ihrem Arm ihrem eigenen Schoss entsprungen ist, während ein Mann permanent auf der Hut sein muss, damit ihm ja kein Nebenbuhler ein Kuckuckskind unterschiebt. Denn wer seine Kräfte zur Heranzucht von fremden Genen verwendet, ist aus evolutionsbiologischer Sicht ein Verschwender. So ist es nur natürlich, dass auch die Mutter des Mannes das Treiben der Schwiegertochter skeptisch beäugt und ihre grossmütterliche Fürsorge lieber für die genetisch unverdächtigen Kinder ihrer eigenen Tochter verwendet.
So weit, so logisch. Das schwierige Schwiegerverhältnis kann die Soziobiologie also erklären. Dass aber Schwiegermütter ihre allfälligen Kuckucksenkel quasi präventiv in den Tod treiben, macht in der Theorie der maximalen Genverbreitung keinen Sinn. Schliesslich ist die Wahrscheinlichkeit doch relativ gross, dass dabei ein leiblicher Enkel draufgeht. Die Autoren des Spektrum-Artikels vermuten darum, der «Schwiegertochter-Überwachungssensor» sei im streng calvinistisch geprägten Ostfriesland «überscharf eingestellt» gewesen. Gegen diese These sprechen Untersuchungen, die den tödlichen Einfluss der Schwiegermutter auch in andern Gesellschaften gefunden haben. So führte in einem zentraljapanischen Dorf im
18. und 19. Jahrhundert die Präsenz der Grossmutter väterlicherseits zu einem 62-prozentigen Anstieg der Todesfälle von Knaben.
Es ist wie so häufig in der Soziobiologie: Das Gen als alles erklärendes Prinzip scheitert, und man muss nachträglich kulturelle Faktoren einführen, damit es aufgeht. Maliziös ausgedrückt, sind solche Erklärungen kaum stichhaltiger als Amateurpsychologie oder Volksweisheiten. Übrigens gibt es ein altes Kölner Karnevalslied, das das evolutionäre Rätsel der Schwiegermutter löst: «Wenn du eine Schwiegermutter hast, dann betrachte sie als süsse Last. Denn wo kämen all die Mädchen her, gäb es keine Schwiegermutter mehr!»
Nun haben neuere wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass das Bild von der nachwuchshemmenden Schwiegermutter gar nicht so falsch ist. In der Januar-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichten zwei deutsche Biologen von ihrer Analyse einer ostfriesischen Bauerngesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Eigentlich wollten die Autoren mit ihrer Arbeit zur Klärung des Grossmutter-Paradoxons beitragen. Denn auf den ersten Blick sind Grossmütter wandelnde Widersprüche zur Evolutionstheorie: Während sich Männer wenigstens theoretisch bis ins Greisenalter der Fortpflanzung widmen können, bringen Frauen die Jahrzehnte nach der Menopause völlig reproduktionslos zu. Eine mögliche Lösung des Rätsels besteht in der Vermutung, dass Grossmütter die Überlebenswahrscheinlichkeit ihrer Enkel massgeblich steigern und so in asexueller Manier zur Verbreitung ihrer Gene beitragen.
Den positiven Einfluss auf die Enkel haben die deutschen Forscher nun tatsächlich gefunden – allerdings bloss bei der Grossmutter mütterlicherseits. Bei der Grossmutter väterlicherseits hingegen war der Effekt gerade umgekehrt: Wohnte die Schwiegermutter im selben Dorf, schnellte die Sterbewahrscheinlichkeit für das Kind im ersten Lebensmonat auf den zweieinhalbfachen Wert. Hauste der «Drachen» im Nachbarort, so starben die Enkel immer noch anderthalb Mal häufiger als ganz ohne Grossmutter väterlicherseits. Die Ursache für die tödliche Wirkung könnte laut den Biologen die berüchtigte «Schwiegermutter-Schwiegertochter-Dissonanz» sein: «Möglicherweise beeinträchtigten die Missstimmungen schon die Schwangerschaft oder den Geburtsverlauf, sodass die werdenden Mütter unter der hohen psychischen Belastung überdurchschnittlich oft weniger lebensfähige Kinder zur Welt brachten.»
Warum das Verhältnis zwischen Tochter und Mutter im Allgemeinen viel besser ist als das zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter, kann die Evolutionstheorie durchaus erklären. Man geht dabei von der Annahme aus, dass Eltern ihren Kindern zu möglichst viel überlebensfähigem Nachwuchs verhelfen wollen. Weil nun Frauen nicht beliebig viele Kinder haben können, setzen sie die gute Betreuung ins Zentrum ihres Wirkens. Bei dieser «Fürsorgestrategie» ist die Hilfe vom Grosi nützlich und willkommen. Zur erfolgreichen Fortpflanzung ihrer Söhne hingegen, die wie alle Männer eher eine «Strategie der opportunistischen Kopulation» verfolgen, können Eltern kaum etwas beitragen. Das ist der erste Punkt, der die engen Bande zwischen Mutter und Tochter erklärt.
Der zweite Punkt ist das alte «pater semper incertus» – neu ausgedrückt: «Mother’s baby, father’s maybe». Frei übersetzt: «Das Kind von der Mutter, vom Vater das Futter». Eine Frau wird kaum je daran zweifeln, dass das Bébé auf ihrem Arm ihrem eigenen Schoss entsprungen ist, während ein Mann permanent auf der Hut sein muss, damit ihm ja kein Nebenbuhler ein Kuckuckskind unterschiebt. Denn wer seine Kräfte zur Heranzucht von fremden Genen verwendet, ist aus evolutionsbiologischer Sicht ein Verschwender. So ist es nur natürlich, dass auch die Mutter des Mannes das Treiben der Schwiegertochter skeptisch beäugt und ihre grossmütterliche Fürsorge lieber für die genetisch unverdächtigen Kinder ihrer eigenen Tochter verwendet.
So weit, so logisch. Das schwierige Schwiegerverhältnis kann die Soziobiologie also erklären. Dass aber Schwiegermütter ihre allfälligen Kuckucksenkel quasi präventiv in den Tod treiben, macht in der Theorie der maximalen Genverbreitung keinen Sinn. Schliesslich ist die Wahrscheinlichkeit doch relativ gross, dass dabei ein leiblicher Enkel draufgeht. Die Autoren des Spektrum-Artikels vermuten darum, der «Schwiegertochter-Überwachungssensor» sei im streng calvinistisch geprägten Ostfriesland «überscharf eingestellt» gewesen. Gegen diese These sprechen Untersuchungen, die den tödlichen Einfluss der Schwiegermutter auch in andern Gesellschaften gefunden haben. So führte in einem zentraljapanischen Dorf im
18. und 19. Jahrhundert die Präsenz der Grossmutter väterlicherseits zu einem 62-prozentigen Anstieg der Todesfälle von Knaben.
Es ist wie so häufig in der Soziobiologie: Das Gen als alles erklärendes Prinzip scheitert, und man muss nachträglich kulturelle Faktoren einführen, damit es aufgeht. Maliziös ausgedrückt, sind solche Erklärungen kaum stichhaltiger als Amateurpsychologie oder Volksweisheiten. Übrigens gibt es ein altes Kölner Karnevalslied, das das evolutionäre Rätsel der Schwiegermutter löst: «Wenn du eine Schwiegermutter hast, dann betrachte sie als süsse Last. Denn wo kämen all die Mädchen her, gäb es keine Schwiegermutter mehr!»
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