Schwiegermutter

Schwiegermutter (aus dem Suaheli: Shwega Muda „der Drachen“) ist die Bezeichnung für die Mutter eines verheirateten Menschen aus der Sicht des an geheirateten Ehepartners. Hinter dieser harmlosen Bezeichnung verbirgt sich oft eine böswillige Person mit ausgeprägtem Machtinstinkt, die darüber wacht, dass die Ehe zwischen ihrem Schwiegersohn oder ihrer Schwiegertochter und ihrem leiblichen Kind nicht zu glücklich verläuft.

Eine Schwiegermutter hat mannigfaltige Aufgaben zu verrichten, die sie am besten erfüllen kann, wenn sie in der Nähe des zu überwachenden Ehepaares wohnt. Noch besser ist es, direkt im Haus oder der Wohnung des zu demütigenden Ehepaares zu leben, so kann eine totale Kontrolle der Lebensgewohnheiten des Ehepaares gewährleistet werden.
Zu ihrem Aufgabengebiet gehört an erster Stelle die Kontrolle und Herabwürdigung des an geheirateten Schwiegerkindes. Sie muss dafür sorgen, dass ihr leibliches Kind in der Ehe den Ton angibt und das Schwiegerkind nicht zu mächtig und eigenständig wird.

In der Konstellation Schwiegermutter maß regelt/demütigt Schwiegersohn verbündet sich die Schwiegermutter mit ihrer leiblichen Tochter gegen den Schwiegersohn. IhrenHass auf den eigenen Ehemann projiziert die Schwiegermutter auf den unterwürfigen Schwiegersohn und demütigt diesen bei jeder Gelegenheit. Dabei wird sie versuchen, den armen Mann bei seiner männlichen Ehre zu packen und ihm immer wieder vorzuwerfen, dass er nicht gut genug für ihre Tochter sei („Hättest Du mal was Anständiges gelernt“), zu wenig Geld verdiene („Wer soll denn davon existieren können“), einen zu fetten Körper habe („Du wirst jeden Tag fetter, verfressener Kerl“) und im Bett eine totale Niete sei („Du solltest dir mal ein Beispiel an deinem Schwiegervater nehmen, der konnte immer und hat es mir richtig besorgt“).
Sucht der herab gewürdigte Mann Trost und Unterstützung bei seiner Frau, wird diese ihm die kalte Schulter zeigen und in die gleiche Kerbe schlagen, bis der Gedemütigte ebenfalls tablettensüchtig wird oder dem Alkohol verfällt. Ziel dieser Strategie ist es, den Ehemann aus dem Haus zu treiben und vor Gericht zu erzwingen, dass der Vertriebene lebenslang Unterhalt für die verlassene Familie zu zahlen hat. Geht diese Strategie nicht auf, wird der Schwiegersohn irgendwann von der Schwiegermutter entmündigt und ebenfalls im Keller geparkt, damit die nun von der Schwiegermutter regierte Familie über der Erde ein harmonisches Leben führen kann.

In einigen Ehen kann es vorkommen, dass das Ehepaar die Strategie der Schwiegermutter durchschaut und sich gegen diese verbündet. Nach einigen Jahren des Psychoterrors wird die Schwiegermutter dann entweder des Hauses verwiesen oder im Häcksler zerkleinert und ihre Überreste an den Haushund oder die Goldfische verfüttert. Diese Form der Selbstbefreiung kommt jedoch nur äußerst selten vor, üblicher ist es, dass das unterdrückte Schwiegerkind eine Selbsthilfegruppe aufsucht, um Zuspruch, Rat und Trost von LeidenskollegInnen zu bekommen. Inzwischen gibt es in jeder größeren Stadt Zufluchtsorte, wo gedemütigte Schwiegerkinder in betreuten Wohngruppen resozialisiert werden. Psychotherapeuten behandeln die über Jahre gedemütigten Schwiegerkinder mittels Trauma-Therapien, was einigen Opfern die Rückkehr in ein normales Leben ermöglicht.

Bei der Variante Schwiegermutter maß-regelt/demütigt Schwiegersohn vermuten die Wissenschaftler hingegen eine archaische Verhaltensweise der Schwiegermütter. Feministisch geprägte Evolutionstheorien gehen davon aus, dass früher ein Matriarchat auf der Erde geherrscht hat. Männer waren nur zum Feuer machen, Jagen und für die Fortpflanzung nützlich und wurden ansonsten in großen Gehegen gehalten. Diesen Zustand wollen die Schwiegermütter unterbewusst wiederherstellen und greifen dabei zu den oben dargestellten, drastischen Mitteln.

Freitag, 21. Juni 2013

Schwieger-Drachen

Die Schwiegermutter als intrigante Glucke, die aus Eifersucht die Ehe ihres Sohns zerstört – dieses Klischee findet man in fast allen Zeiten und Kulturen. Einen Akt von geradezu fabrikmässigem Kannibalismus erzählt ein Märchen aus Kamerun: Sieben Mal zerhackt die böse Schwiegermutter die Frau ihres offenbar aussergewöhnlich gleichmütigen Sohnes und frisst sie auf. In einer milderen Variante aus Europa begnügt sich die Schwiegermutter mit einer Verzauberung: Sie verwandelt die Schwiegertochter in ein gebärunfähiges Wesen, das seine Zwillinge acht Jahre lang mit sich herumträgt, ehe man sie ihm aus dem Leib schneidet.
Nun haben neuere wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass das Bild von der nachwuchshemmenden Schwiegermutter gar nicht so falsch ist. In der Januar-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichten zwei deutsche Biologen von ihrer Analyse einer ostfriesischen Bauerngesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Eigentlich wollten die Autoren mit ihrer Arbeit zur Klärung des Grossmutter-Paradoxons beitragen. Denn auf den ersten Blick sind Grossmütter wandelnde Widersprüche zur Evolutionstheorie: Während sich Männer wenigstens theoretisch bis ins Greisenalter der Fortpflanzung widmen können, bringen Frauen die Jahrzehnte nach der Menopause völlig reproduktionslos zu. Eine mögliche Lösung des Rätsels besteht in der Vermutung, dass Grossmütter die Überlebenswahrscheinlichkeit ihrer Enkel massgeblich steigern und so in asexueller Manier zur Verbreitung ihrer Gene beitragen.

Den positiven Einfluss auf die Enkel haben die deutschen Forscher nun tatsächlich gefunden – allerdings bloss bei der Grossmutter mütterlicherseits. Bei der Grossmutter väterlicherseits hingegen war der Effekt gerade umgekehrt: Wohnte die Schwiegermutter im selben Dorf, schnellte die Sterbewahrscheinlichkeit für das Kind im ersten Lebensmonat auf den zweieinhalbfachen Wert. Hauste der «Drachen» im Nachbarort, so starben die Enkel immer noch anderthalb Mal häufiger als ganz ohne Grossmutter väterlicherseits. Die Ursache für die tödliche Wirkung könnte laut den Biologen die berüchtigte «Schwiegermutter-Schwiegertochter-Dissonanz» sein: «Möglicherweise beeinträchtigten die Missstimmungen schon die Schwangerschaft oder den Geburtsverlauf, sodass die werdenden Mütter unter der hohen psychischen Belastung überdurchschnittlich oft weniger lebensfähige Kinder zur Welt brachten.»

Warum das Verhältnis zwischen Tochter und Mutter im Allgemeinen viel besser ist als das zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter, kann die Evolutionstheorie durchaus erklären. Man geht dabei von der Annahme aus, dass Eltern ihren Kindern zu möglichst viel überlebensfähigem Nachwuchs verhelfen wollen. Weil nun Frauen nicht beliebig viele Kinder haben können, setzen sie die gute Betreuung ins Zentrum ihres Wirkens. Bei dieser «Fürsorgestrategie» ist die Hilfe vom Grosi nützlich und willkommen. Zur erfolgreichen Fortpflanzung ihrer Söhne hingegen, die wie alle Männer eher eine «Strategie der opportunistischen Kopulation» verfolgen, können Eltern kaum etwas beitragen. Das ist der erste Punkt, der die engen Bande zwischen Mutter und Tochter erklärt.

Der zweite Punkt ist das alte «pater semper incertus» – neu ausgedrückt: «Mother’s baby, father’s maybe». Frei übersetzt: «Das Kind von der Mutter, vom Vater das Futter». Eine Frau wird kaum je daran zweifeln, dass das Bébé auf ihrem Arm ihrem eigenen Schoss entsprungen ist, während ein Mann permanent auf der Hut sein muss, damit ihm ja kein Nebenbuhler ein Kuckuckskind unterschiebt. Denn wer seine Kräfte zur Heranzucht von fremden Genen verwendet, ist aus evolutionsbiologischer Sicht ein Verschwender. So ist es nur natürlich, dass auch die Mutter des Mannes das Treiben der Schwiegertochter skeptisch beäugt und ihre grossmütterliche Fürsorge lieber für die genetisch unverdächtigen Kinder ihrer eigenen Tochter verwendet.

So weit, so logisch. Das schwierige Schwiegerverhältnis kann die Soziobiologie also erklären. Dass aber Schwiegermütter ihre allfälligen Kuckucksenkel quasi präventiv in den Tod treiben, macht in der Theorie der maximalen Genverbreitung keinen Sinn. Schliesslich ist die Wahrscheinlichkeit doch relativ gross, dass dabei ein leiblicher Enkel draufgeht. Die Autoren des Spektrum-Artikels vermuten darum, der «Schwiegertochter-Überwachungssensor» sei im streng calvinistisch geprägten Ostfriesland «überscharf eingestellt» gewesen. Gegen diese These sprechen Untersuchungen, die den tödlichen Einfluss der Schwiegermutter auch in andern Gesellschaften gefunden haben. So führte in einem zentraljapanischen Dorf im
18. und 19. Jahrhundert die Präsenz der Grossmutter väterlicherseits zu einem 62-prozentigen Anstieg der Todesfälle von Knaben.

Es ist wie so häufig in der Soziobiologie: Das Gen als alles erklärendes Prinzip scheitert, und man muss nachträglich kulturelle Faktoren einführen, damit es aufgeht. Maliziös ausgedrückt, sind solche Erklärungen kaum stichhaltiger als Amateurpsychologie oder Volksweisheiten. Übrigens gibt es ein altes Kölner Karnevalslied, das das evolutionäre Rätsel der Schwiegermutter löst: «Wenn du eine Schwiegermutter hast, dann betrachte sie als süsse Last. Denn wo kämen all die Mädchen her, gäb es keine Schwiegermutter mehr!»

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