Der perfekte Ehepartner
vergisst seine Eltern, sowie er die Ehefesseln in Form eines Ringes
übergestreift bekommen hat. OK. bis zum Ende der Hochzeitsfeier dürfen
sie noch bleiben, aber dann werden sie für immer aus dem Gedächtnis
gestrichen. Und das ist auch gut so, denn Schwiegermütter mischen sich
prinzipiell in alles ein, was sie nichts angeht.
Schlimm genug, dass sie schon die Hochzeit
arrangierten, die Gästeliste schrieben und das Brautkleid aussuchten.
Peinlich genug, dass sie auf der Hochzeitsfeier die schmatzende,
sabbernde und außerdem noch schwerhörige Tante Gertrud neben die Braut
setzten.
"Du hast auf mein Kleid gekotzt." - "Wer hat vor Neid gemotzt?"
Kurz nach unserer Hochzeit ergaben sich folgende
Gespräche, wie: "Deine Mutter hat angerufen." "Was wollte sie?" "Weiß
ich nicht, hab gleich wieder aufgelegt." "Gut gemacht."
Allerdings war seine Mutter etwas penetranter als
meine. Was sie mir nicht schon während unserer Verlobungszeit
einzutrichtern versuchte, schrieb sie auf eine lange Liste, rahmte diese
ein und hing sie heimlich über meinem Schreibtisch auf, nachdem sie die
Möbel in unserer Wohnung umgestellt hatte. Wie konnten wir auch nur so
nachlässig sein und das Haus verlassen, um unserer Arbeit nachzugehen.
Auf dieser Liste stand:
ER mag keinen Blumenkohl, keine grünen Bohnen, keine
Erbsen, keine Sülze, keine Matschkartoffeln und vor allem keine fetten
Speisen. ER reagiert allergisch auf Fisch. ER liebt lange Spaziergänge
und hasst Glücksspiele.
Tatsache jedoch ist, dass ER für einen gegrillten
Schweinebauch mit grünen Bohnen und Kartoffelpüree sogar töten würde.
Natürlich mochte er keine wabbelige Schwabbelschwarte, sondern eine
knusprige Kruste. Natürlich mochte er kein Majoran in den Bohnen,
sondern Bohnenkraut. Und natürlich mochte er keine klumpige
Matschkartoffeln, sondern ein feines Püree. Allerdings darf ich das
Essen nicht an einem Samstag um 19:45 Uhr auftragen, denn um diese
Uhrzeit kommen die Lottozahlen.
Was seine Fischallergie anbetrifft, kann ich nur
sagen, dass ER im Handumdrehen meine klägliche Fischsuppe in eine
herrliche Bouillabaisse verwandelt und sie mit einem ebenso großen
Genuss wie auch Hummer, Krabben, Garnelen, Schollen, Lachs und Kaviar
verschlingt, ohne dabei auch nur die geringsten Anzeichen eines
Unwohlseins zu verspüren. ER ist immerhin ein echter Hamburger.
Natürlich mag er keinen Kochfisch in verklumpter Mehlsoße mit Matschkartoffeln und Majoran geschwängerten, grünen Bohnen.
ER liebt lange Spaziergänge? Er würde am liebsten
noch mit dem Auto zum Klo fahren. Sollte er zufällig abends vor mir
Zuhause sein und unser Hundemonster Lulu mit kreuzenden Beinen
antreffen, weil sie raus muss, um Pipi zu machen, bedauert er es jedes
Mal, dass Lulu kein winziger Hund ist, den man nicht einfach zum Pinkeln
aus dem Fenster halten kann.
Was zum Teufel wollte mein Schwiegerdrache mit ihrer
Liste bezwecken? Sollte ich mich mit meinem Süßen so zerstreiten, dass
er die Scheidung anstrebt und sie ihn wieder mit offenen Armen empfangen
kann?
Immerhin stand sie meiner eigenen Mutter in nichts nach, als beide behaupteten: sie taugt nichts und er ist ein Tunichtgut.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es immer nur
die Schwiegerdrachen und nie die Schwiegerväter sind, die sich
ungefragt in die Ehe ihrer Kinder, beziehungsweise Schwiegerkinder
einmischen?
Vielleicht liegt es an der älteren Generation.
Vielleicht daran, dass unsere Vorfahrinnen ihre Männer, sowie ihre
Kinder unterjocht haben.
Mit Sicherheit mussten die Frauen nach dem zweiten
Weltkrieg stark und listig sein, um in einem zertrümmerten Deutschland
eine Behausung zu finden, die geeignet war, ihre Nachkommenschaft
aufziehen zu können und die auch einladend genug war, damit die aus der
Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Ehemänner sich heimisch fühlen
konnten. Besagte Heimkehrer trauten sich aus lauter Dankbarkeit nie
wieder im Leben aufzumucken und ihr Verhalten wurde auch in die nächste
Generation weiter vererbt.
Mein Süßer und ich, sowie Millionen anderer Menschen gehörten jedoch
zu der aufmüpfigen Generation. Ja, wir genossen damals die Musik von
Genesis, der Beatles, Black Sabbath, Jim Morrison und nicht zuletzt
Frank Zappa. Der Einfluss Amerikas, der uns einst von der Geißel Hitlers
befreite, fesselte uns anschließend mit seiner Musik, seiner
Flower-Power und seinem nicht endenden Streben nach Freiheit und
Individualität.
Während wir in unserer Jugend jeden Samstag Abend
sabbernd vor dem Bildschirm saßen und mit zwei Suppenlöffel den Takt der
Musik nachklapperten, stand Muttern in der Küche, bereitete den
Kartoffelsalat für morgen zu und Vater hockte vor dem Radio und lauschte
zittrig erregt den Worten von Jilio Iglesias: "Komm in das Boot heute
Nacht, Anna Lena".
Nein, wir sind auf keinen Fall wie unsere Eltern
geraten. Wir haben uns von ihnen distanziert. Wir werden niemals
Schwiegerdrachen werden.
OK, ich habe nur ein einziges Mal zu dem damaligen
Freund meiner Tochter gesagt, dass er mit Mafiamethoden ähnlichen
Vergeltungsmaßnahmen rechnen kann, wenn er sie verletzt oder fremd geht
oder sonst irgendeine Dummheit begeht. Kann man mir das verübeln? Bin
ich deswegen auch zu einem Schwiegerdrachen mutiert?
Immerhin habe ich nicht die Fehler meiner eigenen
Mutter begangen, indem ich meine Tochter unterdrückte und ihr meinen
Willen aufzwang. Unsere Süße hatte die Gelegenheit, ihre Konsequenzen
aus ihren eigenen Fehlern ziehen zu können, auch wenn es manchmal sehr
schmerzhaft für sie war. (Ich erinnere mich da nur an ihren Verlust von
mindestens 47,50 DM Taschengeld, bis sie von selbst merkte, dass es sich
nicht lohnt, Wundertüten zu kaufen. Als sie ihr Elternhaus verließ, um
zu studieren, hinterließ sie 27 funkelnagelneue Bleistiftspitzer sowie
18 unbenutzte Radiergummis; die Ausbeute von ca. 35 Wundertüten)
Aber zurück zu den Schwiegerdrachen. Was die Eltern
ihren Kindern nicht in 18 Jahren beibringen können, sollten sie danach
auch nicht weiter versuchen und schon gar nicht über die
Schwiegerkinder.
Der Tunichtgut wurde übrigens Dozent an der
Industrie- und Handelskammer Hamburg, sowie Chef eines großen, eigenen
Unternehmens. Die kleine Göre, die nichts taugt, wurde eine Kolumnistin
und Kummerkastentante in einem der größten Radioanstalten
Norddeutschlands, sowie erfolgreiche Autorin zahlreicher Bücher.
Außerdem zeugten sie eine liebenswerte und höchst intelligente Tochter,
die heute eine sehr erfolgreiche Biologin ist.
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